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Wie Cello-Spielen die Arbeitsqualität verbessert

Chris B. leitet die Abteilung einer öffentlichen Einrichtung, die Fördergelder vergibt. Anlass für einen Coaching Termin war, dass ein Mitarbeiter, der unter den KollegInnen sehr beliebt ist, gerne aushilft, andere unterstützt, kurzum über eine hohe soziale Kompetenz verfügt, in der Bearbeitung von Förderanträgen, zu viele Fehler macht. Das kostet Zeit, Nerven und schlechtestenfalls auch Geld – die Organisation oder Antragsteller.

Mehrere Gespräche, Ermahnungen wie auch Unterstützungsangebote in den letzten 2 Jahren haben nicht gefruchtet. Eine Versetzung oder gar Kündigung – die rechtlich schwer durchzubringen wäre – würde sich negativ auf die Stimmung im Team auswirken, außerdem wäre das im Selbstverständnis von Chris das Eingeständnis, als Führungskraft gescheitert zu sein.

Meine erste Frage war, was denn – neben der hohen sozialen Kompetenz – eine oder zwei weitere Stärken dieses Mitarbeiters seien. Stille füllte den Coaching-Raum – für mehr als zwei Minuten. Dann Kopfschütteln und Achselzucken. Auf die Frage, womit dieser Mitarbeiter gerne seine Freizeit verbringt, kam – wie aus einem weit entfernten Regal hergeholt – die Antwort Cello-Spielen. Das Streichquartett, in dem er seit Jahren spielt, tritt mehrmals im Jahr bei Geburtstagsfeiern, Jubiläen und ähnlichen Anlässen auf.

Damit war klar, dass dieser Mitarbeiter über alle Fähigkeiten verfügt, die erforderlich sind, um umfangreiche Förderanträge zu bearbeiten. Er kann
• über einen längeren Zeitraum hochkonzentriert einer Tätigkeit nachgehen,
• sich in komplexen Strukturen hervorragend zurechtfinden,
• währenddessen Top-Qualität produzieren,
• visuelle Informationen (die Noten) mittels der Hände in eine Leistung umsetzen.

Man könnte quasi sagen, er ist prädestiniert dafür, Förderanträge zu bearbeiten.

Dieser Mann musste nichts zusätzlich lernen, sich aneignen oder verbessern. Es ging lediglich darum, all diese Fähigkeiten in einem anderen Kontext ebenfalls zu nutzen.

Mit Chris wurde folgender Ansatz entwickelt: Der Mitarbeiter sollte sich vorstellen, der Förderantrag sei eine Partitur, vielleicht sogar jene seines Lieblingsstückes.
• In welchem Takt ist das Stück geschrieben?
• Dur oder Moll? Oder beides im Wechsel?
• Was ist das musikalische Hauptmotiv?
• Was sind die Vorgaben des Komponisten bezüglich der Lautstärke? Wo heißt es „pianissimo“, wo „fortissimo“, crescendo“ oder „diminuendo“?
• Wie ist das Wechselspiel der Artikulation? Wo ist „legato“ angesagt. Wo „staccato“? Welche Passagen erfordern besondere Aufmerksamkeit für einen richtigen Einsatz nach einer Pause?

Chris hat unseren für fünf Wochen später vereinbarten Zweittermin abgesagt. Am Telefon erfuhr ich, dass die Bearbeitungsqualität des Mitarbeiters die Anforderungen mehr als ausreichend erfüllt.

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