Weihnachtsansprache – Unterschied zwischen guter Absicht und guter Wirkung

Dieser Tage finden sie wieder zu 1000nden statt. In mehr oder weniger festlichem Rahmen sprechen Vorstände, Geschäftsführer, Manager und Führungskräfte zur Belegschaft oder zu ihren Teams.

Typischerweise besteht so eine Weihnachtsansprache in bester Absicht aus zwei Teilen:

  • Dem Rückblick auf das zu Ende gehende Jahr, garniert mit passenden Attributen wie „sehr gut“, „schwierig“, herausfordernd“, „erfolgreich“ etc., und er endet mit als Anerkennung gemeintem Dank.
  • Dem Ausblick auf das neue Jahr, in dem es in der Regel darum geht, „noch mehr leisten zu sollen“, „den höheren Herausforderungen anzunehmen“, „ produktiver zu sein“, „dem verstärkten Wettbewerbsdruck standhalten zu können“, „das in Sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen“, “den diesjährigen Erfolg um x Prozent zu überbieten“ usw.

Der erste Teil entspringt häufig einer ehrlichen Anerkennung für das Erreichte, jedenfalls aber der Binsenweisheit aller Führungskonzepte, dass Lob motiviert.

Der zweite Teil ist der Situation des Sprechers oder der Sprecherin geschuldet, in deren Fokus bereits die kaum erreichbaren Zielvorgaben für das nächste Jahr stehen.

Die Überleitung zwischen erstem und zweitem Teil sind häufig ein Strich und vier Buchstaben mit fataler Wirkung. Dafür ist nicht wichtig, ob sie sprachlich ausgedrückt werden oder sinngemäß kommuniziert werden.

Der Strich ist der Beistrich und die vier Buchstaben nach diesem Beistrich ergeben das Wort „aber“ .

Eine so umgesetzte gute Absicht hat in fast allen Fällen sehr negative Wirkung:

Im Gedächtnis und vor allem im Bauch der Zuhörerschaft bleibt nur präsent, was nach dem Beistrich und dem Wort „aber“ ausgeführt wurde. Als Nettobotschaft kommt nämlich an: „Es ist nie genug!“

Während MitarbeiterInnen ihr Hauptaugenmerk auf kurze Zeithorizonte ausrichten und dadurch erledigen, was täglich zu tun ist, damit Kunden Kunden bleiben oder sogar neue dazukommen, erstrecken sich die Zeiträume, mit denen sich das Top-Management hauptsächlich befasst bzw. befassen sollte, längerfristig in die Zukunft. Denn es sollen heute jene Entscheidungen getroffen werden, die gewährleisten, dass die Organisation auch noch in zwei oder fünf Jahren erfolgreich ist. Für den Erfolg sind beide Perspektiven gleichermaßen wichtig. Kein Kunde werde bleiben, würden MitarbeiterInnen ihm mitteilen, dass seine Bestellung jetzt leider nicht ausgeliefert werden kann, weil derzeit an der Strategie 2020 gearbeitet wird. Genauso würde eine Organisation untergehen, würde sich niemand mit den weit in die Zukunft reichenden Fragen beschäftigen.

Die Folge dieser unterschiedlichen zeitlichen Perspektiven ist, dass

  • MitarbeiterInnen zu Recht erwarten, dass ihre tägliche gute Arbeit periodisch anerkannt wird, vorbehaltlos und ohne Wenn und Aber,
  • die vorhandenen Erfolge für das Top-Management viel weniger Gewicht haben als die in der Zukunft noch zu erbringenden Erfolge.

Wird versucht, beiden Interessen in EINER Rede gerecht zu werden, wird das aus vorgenannten Gründen kaum gelingen.

Daher: Wenn gute Leistungen erbracht wurden, Anerkennung und nur Anerkennung, damit sie auch als solche ankommt und die gewünschte gute Wirkung entfalten kann. Weihnachtsfeiern sind dafür ein besonders geeigneter Rahmen.

Die Aufforderungen und Anfeuerungen für das nächste Jahr werden besser im Rahmen eines anderen Settings, bspw. einem Kick-Off, der „Neujahrsansprache“ des Top-Managements oder ähnlichen Formaten gesetzt und dann eher die gewünschte Wirkung entfalten können.

In der sozialen Interaktion ist das Schlüsselkriterium einzig und allein die Wirkung. Recht haben oder es „richtig“ machen führt noch lange nicht zum gewünschten Erfolg.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen bei allen Ihren kommunikativen Aktivitäten zum Jahresausklang und im nächsten Jahr, dass diese die gewünschte Wirkung haben.

Zuletzt: Sollten Sie zu denen gehören, die eine solche Ansprache hören (werden), vergessen Sie absichtlich den zweiten Teil. Sie haben den ersten Teil verdient.

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